Zuhause sterben oder woanders?
Wir möchten auf diese Frage keine feste Antwort geben, denn es ist ganz sicher nicht so, dass es dafür eine Regel gibt, sondern der richtige Weg ergibt sich, wenn es so weit ist.
Daher sollte man weder selbst als Betroffener erzwingen wollen, dass man zuhause stirbt oder dies für seinen Angehörigen festlegen, denn es kann einfach ganz unterschiedlich sein und es hilft niemandem am Ende, seine Entscheidung durchzusetzen.
Je nach Zustand des Patienten ist der Aufenthalt in einem Hospiz vielleicht besser. Es kommt darauf an, wie gut man zuhause die Schmerzen und Beschwerden des Betroffenen in den Griff bekommen kann und wie groß die Belastung ist.
Man muss auch ganz klar sagen: Es gibt für alle Optionen Vor- und Nachteile. Ein Vorteil des Sterben in einer Einrichtung ist, dass die Verantwortung für das Wohl des Patienten nicht in den Händen der Angehörigen liegt, wenn sie nicht stark genug dafür sind oder wenn die Krankheit/ der Zustand so schlimm sind, dass es einfach falsch wäre.
Für viele Angehörige ist es dann einfacher, seinen lieben Mitmenschen nur noch zu besuchen, statt ihn komplett versorgen zu müssen. Das sollte man unbedingt bedenken! Auch kann es zu Situationen kommen, wo man Entscheidungen treffen muss, die medizinisches Personal eben besser treffen kann.
Daher bitte bis zum Ende locker bleiben bei dieser Entscheidung.
Andersherum kann es für den Patienten unangenehmer sein, dass so viele „fremde“ Personen bis zum Schluss um ihn herum sind. Auch wenn es alle gut meinen, so möchte man dies vielleicht nicht. Es kann auch unangenehm sein, wenn in den letzten Tage noch Personen vom Hospizdienst kommen, die man nicht kennt.
Es reicht oft schon, dass noch mal der Arzt kommt um das letzte Mal zu untersuchen. Aber Sterben ist immer wieder anders. Niemand kann Regeln aufstellen. Viele stellen es sich so vor, dass der kranke Mensch im Kreise seiner Lieben einfach einschläft, aber so ist es nicht immer.
Sehr oft stirbt ein Mensch genau dann, wenn alle aus dem Zimmer sind und das hat dann wohl spirituelle Gründe, nämlich dass der Mensch nicht mehr von seinen Lieben auf der Erde festgehalten wird. Er kann leichter gehen, wenn sie kurz weg sind. Daher ist ein „Überwachen“ des sterbenden Menschen oft gar nicht so richtig.
Wie der Sterbeprozess aussieht, hängt vom Krankheitszustand aus, aber man sollte sich vorab etwas einlesen, als Angehöriger, was auf einen zukommt, damit man die richtigen Entscheidungen fällt, wenn es so weit ist und damit man die Nerven behält.
Es geht in den letzten Tagen und Stunden nur noch darum, den Prozess zu erleichtern, nicht mehr darum das Leben zu verlängern. Und das ist natürlich sehr herausfordernd. Man muss genau darauf achten, welche Signale der Patient gibt, was er noch möchte und was nicht. Möchte er in Ruhe gelassen werden, dann ist das eben so.
Wenn ihm Berührungen nicht mehr gut tun, er sie abwehrt, dann nicht erzwingen. Auch nicht unbedingt ansprechen und anregen, wenn man merkt, es strengt ihn zu sehr an. Es ist dann wahrscheinlich der Prozess des Abschieds vom Leben gekommen, an dem man den Verstorbenen nicht festhalten sollte, ähnlich wie dem „Noli me tangere“ in der Jesus-Geschichte. Das Band zwischen Leben und Tod muss durchschnitten und durchschritten werden. Und hier können die Lebenden nicht folgen.
Warum der eine Mensch so stirbt und der andere anders, wissen wir nicht. Warum der Tod bei einem Menschen urplötzlich und mit großem Schrecken eintritt und sich bei anderen Monate lang ankündigt oder über Tage ein Prozess ist, wissen wir auch nicht. Aber vielleicht hat jeder Prozess seinen ganz persönlichen Sinn, auf spiritueller Ebene, den wir akzeptieren sollten.
Wichtig ist zu wissen, dass auch die Medizin von lebensverlängernden Maßnahmen inzwischen Abstand nimmt. Man hängt heute altersschwache Menschen nicht mehr an den Tropf oder ernährt sie künstlich, weil man weiß, dass ihnen dies den Prozess erschwert. Denn Die Natur hat es so eingerichtet, dass der Körper bestimmte Prozesse durchläuft, die man mit Eingriffen von außen behindert.
Durch den natürlichen Prozess werden im Körper, besonders im Gehirn Stoffe frei, die den Menschen in eine Art Delirium versetzen, so dass er nicht so viel vom Ende mitbekommt wie bei vollem Bewusstsein. Infusionen würden diesen Prozess unnötig behindern. Auch künstliche Ernährung hat keinen Sinn mehr, da die Organe die Nahrung nicht mehr wirklich verarbeiten können.
Natürlich sollte man nie zu früh aufgeben. Es kommt darauf an, wie der Zustand des Menschen sonst noch ist, egal, wie alt er ist. Hat er die letzten Monate stark abgebaut? Immer weniger Durst und Hunger? Dann deutet sich das Ende an. War er vor kurzem noch vital, dann lohnt sich vielleicht noch mal eine Infusion.
Das Ende ist immer schwer, dies ist wohl von der Natur so eingerichtet worden. Es heißt für die Pflegenden Angehörigen sehr hellhörig sein und schauen, was das beste ist.
Wie gesagt, gibt es für das Zuhause oder auswärts Sterben jeweils Vor- und Nachteile. Das zuhause Sterben ist für die Angehörigen eine sehr große Herausforderung und gegebenenfalls ein Mitleiden. Aber es ist auch ein gemeinsamer Weg, den man geht, und den einem niemand mehr nehmen kann.
Ein Vorteil ist, dass man als Angehöriger zuhause Tag und Nacht für den Patienten da sein kann und trotzdem Arbeiten verrichten, Pausen machen. Ist man nur im Krankenhaus oder Hospiz zu Besuch, sitzt man vielleicht zwei Stunden oder mehr am Bett und ist hilflos. Man weiß nicht, bei dem Patienten bleiben oder nicht. Rausgehen oder nicht. Zuhause kann man immer wieder zum Patienten gehen und immer wieder weg. Man ist so immer in der Nähe.
Der Vorteil im Krankenhaus oder Hospiz ist aber natürlich, dass man davon ausgehen kann, dass der Patient medizinisch perfekt versorgt ist, wobei da dann natürlich auch Zweifel aufkommen können, wenn man kein Vertrauen hat oder meint, der Zeitpunkt zum Sterben sei noch gar nicht gegeben.
Wie am Ende die Entscheidung ausfällt, ob man seinen Angehörigen zuhause lässt oder nicht, kann ganz anders ausfallen als geplant. Und man muss sich keine Vorwürfe machen, wenn man beim letzten Atemzug nicht dabei war, denn genau dies ist anscheinend oft gewollt, weil es sehr oft vorkommt.
Egal, wie der Prozess am Ende ist, wir dürfen uns daran erinnern, dass wir alle diesen Weg gehen müssen. Auch wenn wir als Pflegende Angehörige nun Jahre lang alles gegeben haben um unseren Mitmenschen am Leben zu erhalten, zu ermuntern und zu versorgen, müssen wir es nun schaffen, loszulassen. Der Weg ins Jenseits kann ein beschwerlicher Weg mit Stufen einer Leiter sein. Es soll vielleicht in manchen Fällen so sein, weil dies bestimmte Prozesse der Seele abschließt.
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