Wenn Außenstehende die Pflege sabotieren

Man sollte meinen, der Pflegealltag zuhause wäre schon schlimm genug. Aber weit gefehlt. So gut wie alle Pflegenden Angehörigen klagen über schlechte Behandlung von Außenstehenden.

Und dies ist keine Übertreibung oder persönliche Empfindlichkeit. Wer es nicht glaubt, sollte mal in die öffentlichen Gruppen auf Facebook für Pflegende Angehörige schauen, wie oft sie sich gegenseitig ihr Leid klagen müssen.

Es reicht nicht, dass die Krankenkassen die Pflegenden Angehörigen gerne wie nervige Insekten behandeln, sodass ihnen jegliche Schritte zur Hilfe von außen durch bürokratische Hürden enorm schwer und aufwändig gemacht werden. Nein, sie müssen zusätzlich sehr viel Kritik, Respektlosigkeit und blöde Bemerkungen ertragen.

Warum das so ist, darüber lässt sich ewig rätseln. Ein bisschen erinnert die Situation für Pflegende Angehörige an die akutelle Situation von Sanitätern, Feuerwehr und co., die von einigen Mitgliedern in unserer Gesellschaft sogar körperlich angegriffen und an der Hilfe für andere gehindert werden.

Wer extrem viel für andere tut, sich selbst hinten an stellt, der wird in der heutigen Zeit angegriffen. Vielleicht, weil es anderen nicht passt, dass man nicht auch egoistisch handelt und somit als Beispiel genommen werden könnte. Oder weil die Kritiker selbst ein schlechtes Gewissen haben. Wir Pflegenden Angehörigen begreifen einfach nicht, warum wir zu all der Last der Pflege auch noch Gegenwind aus unserem Umfeld und anderen Außenstehenden bekommen und das immer wieder.

Kritik und Besserwisserei

Zu den Personen, die Pflegenden Angehörigen das Leben schwer machen können und damit die tägliche Pflege selbst und die damit auch dem Pflegebedürftigen schaden, gehören enge Verwandte, Bekannte, Freunde, Therapeuten, Ärzte, Behörden und alle, mit denen man über die Pflege redet oder reden muss.

Viele Menschen können einfach nicht damit umgehen, dass hier ein Angehöriger oft über Jahre hinweg einen anderen Angehörigen pflegt. Sie finden das Thema zu einen enorm unangenehm, haben zum anderen schlechtes Gewissen und manchmal auch Angst, sie müssten vielleicht sogar helfen.

Wir Pflegenden Angehörigen erwarten gar nichts von anderen, nur, dass sie ein bisschen Achtung, Verständnis aufbringen für unsere Situation. Stattdessen bekommt man in dieser schweren Zeit besonders viel negative Reaktionen ab.

Obwohl man weiß, dass man tagtäglich Schweres leistet, was viele andere Menschen gar nicht schaffen und aushalten könnten, kann man nicht stolz auf sich sein und darauf bauen, dass Außenstehende respektvoll und rücksichtsvoll damit umgehen. Sondern, man wird stattdessen häufig angegriffen.

Kritik und Besserwisserei sind nur eine Komponente. Diese kann von allen kommen, die Einsicht in die Pflegesituation haben. Sie sehen, eine alte, hilfsbedürftige, schwache Person und haben zig Tipps, was man wie, wo besser machen könnte oder sollte. Ohne zu begreifen, dass Pflege eben bedeutet, dass hier jemand alt und schwach ist und man der Person helfen muss, soweit es geht, aber keine Wunder vollbringen kann. Meist wird das Gegenteil von dem vorgeschlagen, was man als Pflegender gerade gemacht hat.

Ein Beispiel, das immer wieder zum Haareraufen ist: Außenstehende wollen, dass man den Pflegling doch schlafen lässt. Es kommen Sprüche wie „Ach, lasst ihn doch schlafen, was soll er denn noch tun in seinem Alter?“ Oder „Wenn ich so alt wäre, würde ich auch nur noch schlafen wollen.“

Dass der Pflegling aber am liebsten 24 h nur noch schlafen möchte, das sehen sie nicht. Auch nicht, was das für Konsequenzen für ihn und die Pflegenden hätte, wenn man das zulässt. Der gesamte Körper wird immer schwächer und verspannter. Es kommt durchs ständige Liegen eher zu Dekubitus, schmerzenden Gelenken.

Die Verdauung wird träge, der Geist auch, alle Körperfunktionen bauen ab. Und das unnötig! Denn ein bisschen Mobilisation jeden Tag kann den Körper in einem gewissen Stadium noch einigermaßen fit halten und am stetigen Abbau hindern.

Jeder weiß doch im Grunde, wie man sich fühlt, wenn man einige Tage im Bett verbracht hat: Man wird immer schwächer, antriebsloser. Bei älteren Menschen verstärken sich noch etliche bestehende Beschwerden, Krankheiten und Gebrechen. Wie kann man also ernsthaft vorschlagen, man sollte den alten Menschen halt schlafen lassen… Tag und Nacht?

Es ist absolut unverantwortlich einen Pflegebedürftigen nur liegen zu lassen! In den Heimen weiß man das längst und da ist Mobilisation der Bewohner ein Alltagsgeschäft. Aber, weil Menschen außerhalb des Pflegeberufes keinen Einblick haben, machen sie solch dumme Vorschläge.

Wir Pflegenden Angehören machen dann also etwas „falsch“ und tun etwas „Schlechtes“, wenn wir den Pflegebedürftigen NICHT Tag und Nacht nur schlafen lassen…

Heutzutage weiß man in der Medizin, dass es grundfalsch ist, alte Menschen sitzen und liegen zu lassen, wenn sie sich noch ein bisschen bewegen können. Es ist absolut naiv zu denken, jeder alte Mensch, der müde und träge ist, würde eh bald sterben und man sollte ihn lassen. Genau diese Einstellung begegnet uns Pflegenden Angehörigen aber ständig.

Heute dauert die Pflegesituation oft viele Jahre! Es ist nicht mehr so, dass die Alten schwach und krank werden und dann bald eh sterben. Vielleicht konnte man sie früher einfach „schlafen lassen“. Heute würde das aber jahrelanges Siechtum bedeuten, denn die heutige Medizin erhält den Körper länger am Leben als noch vor Jahrzehnten.

Wir sehen selbst immer wieder, wie sehr unser Pflegling abbaut, wenn er in Kurzzeitpflege war, weil er dort aus Zeitgründen nicht so mobilisiert und aktiviert werden kann, wie zuhause. Wir sehen also, dass wir ihm körperlichen Abbau, Schmerzen in den Gelenken und Verkrümmung der Wirbelsäule etc. ersparen, indem wir ihn jeden Tag ein bisschen mobilisieren, umsetzen, vom Rollstuhl in den Relaxsessel und am Etac Turner aufstehen lassen.

Schlimm ist es zudem, wenn Therapeuten in das gleiche Horn stoßen und uns vorschlagen, wir sollten ihn doch lassen, ihn schlafen lassen, wenn er müde ist. Sie sind aber nicht 24 h dabei und sehen, dass der Patient nur noch schlafen will, wenn man ihn lässt und gar nicht mehr aktiviert.

Wir Angehörigen sehen am ehesten, in welchen Zustand der zu Pflegende ist, was er noch kann und was nicht. Und daher ist es oft sogar unverschämt, wenn Personen, die ihn nur einmal die Woche für 20 Minuten sehen, meinen, seinen Zustand besser einschätzen zu können. Auch sehen wir, was ihm noch guttut und was nicht. Ein bisschen Bewegung jeden Tag und vor allem auch mal den Raum und die Position wechseln verhindert größere Schmerzen und Beschwerden.

An Kritik und Besserwisserei von außen mangelt es also nicht, wenn man zuhause pflegt. Oft kommt diese auch sehr subtil. Etwa wenn Therapeuten ständig etwas vorschlagen, was man noch anders machen könnte, zum Beispiel beim Umsetzen, während wir Angehörigen unseren Pflegling zig Mal am Tag umsetzen müssen und das sicher ohne Umfälle und ohne Rückenschmerzen bei uns selbst.

Wir haben längst eine für alle sichere und gute Methode entwickelt und brauchen dann nicht Tipps von Leuten, die selbst nicht transferieren müssen.

Vor allem kommen diese Vorschläge immer von Personen, die nicht selbst pflegen oder Erfahrung darin haben! Die Pflegeberatung ist da viel zurückhaltender in den Vorschlägen und gibt nur Tipps, wenn man Fragen hat.

Respektlosigkeit gegenüber Pflegenden Angehörigen

Zu der leisen oder lauten, direkten oder subtilen Kritik an allen möglichen Details der Pflege, gibt es leider auch nicht viel Respekt gegenüber Pflegenden Angehörigen. Und das ist ein allgemein gesellschaftliches Problem in unserem Land.

Viele, die nicht selbst pflegen oder schon mal Einblick privat in die tägliche Pflege hatten, etwa in der eigenen Familie, stellen sich einfach komplett etwas anderes darunter vor. So gibt es Therapeuten, die einfach denken, als Pflegender Angehöriger hätte man seinen Lenz zuhause und dies durch kleine Spötteleien durchblicken lassen.

Die Respektlosigkeit kann man leider besonders im Umgang mit der Krankenkasse und Pflegekasse feststellen. Und das alles ist keine Einbildung. Die meisten Pflegenden Angehörigen kennen das normale Leben, haben oder hatten einen normalen Beruf, wo man respektvollen Umgang pflegte und dann in der Pflege ist plötzlich alles anders.

Man wird von oben herab behandelt, nicht ernst genommen. Ärzte belächeln die Situation, weil man als erwachsener Mensch Vater oder Mutter pflegt und behandeln einen wie ein Kind, das nicht vom Elternteil loskommt. Andere wiederum tun so, als würden nur Personen pflegen, die beruflich und privat versagt haben.

Vor allem aber gehen Politiker respektlos mit den Pflegenden Angehörigen um. Das kann man in allen möglichen TV-Sendungen, Debatten sehen. Sie werden noch weniger beachtet und wahrgenommen als berufliche Pflegekräfte. Und das, obwohl wir Pflegenden Angehörigen längst der größte Pflegedienst des Landes sind.

Die Liste der Schmähungen gegenüber Pflegenden Angehörigen ist lang. Vielleicht mögen noch weitere Betroffene hier darüber erzählen.

 

 

 

 

 

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