Beruflich als Pfleger die Ruhe in Person, privat dauergestresst

Immer wieder können wir in den Foren und Gruppen der Pflegenden Angehörigen lesen, dass sich die berufliche Pflege enorm von der privaten unterscheidet – und das sieht kaum ein Mensch! Daher schreiben wir hier kurz darüber.

Unabhängig voneinander erzählen viele Pflegende Angehörige, die beruflich aus der Pflege kommen, dass es für sie etwas vollkommen anderes ist, beruflich zu pflegen oder privat eine nahestehende Person!

Wir finden das ist ein ganz wichtiger Aspekt um unserer Gesellschaft die Augen zu öffnen, was für eine Belastung die private Pflege in der Familie darstellt. Wir wollen aufzeigen: Pflegende Angehörige stellen sich nicht besonders an, jammern zu viel, tun sich zu viel leid oder machen irgendetwas falsch.

Ist es nicht sehr erstaunlich wie Personen, die aus der Pflege kommen und im Grunde alles wissen und gelernt haben, doch genauso an ihre nervlichen Grenzen kommen wie alle ungelernten Pflegenden? Sie berichten genauso wie alle anderen, dass sie die Geduld verlieren, genervter sind, weniger Energie haben und einfach eher am Ende ihrer Kräfte.

Zitat: „Ich bin mit Herzblut Pflegekraft und war in meiner aktiven stets Pflegezeit die Ruhe in Person, kam mit allem klar und habe auch auf beschützen Wohnbereichen gearbeitet. Bei meiner Mutter bin ich ungeduldig und genervt… “

Dies ist eine typische Äußerung einer Pflegenden Angehörigen. Die Pflege der Familienmitglieder stellt eine ganz andere Herausforderung dar als die berufliche Pflege. Warum?

  • Den Pflegenden Angehörigen wird ein großer Teil des Privatlebens genommen, welches beruflich Pflegende noch haben.
  • Beruflich Pflegende haben einen „normalen“ (wenn auch viel zu geringen) Verdienst für ihre Tätigkeit, während Pflegende Angehörige kaum etwas für ihre Leistung bekommen – abhängig davon, ob die zu pflegende Person ihnen etwas vom Pflegegeld geben kann und darüber hinaus oder nicht. Viele pflegen sogar völlig unentgeltlich.
  • Zur Pflege kommen die Sorgen um den Angehörigen dazu, die man als beruflich Pflegender nicht hat. Auch wenn man seine Patienten mag und eine Bindung aufbaut, bleibt da doch eine gewisse Distanz.
  • Alte Konflikte und Beziehungsschwierigkeiten kochen wieder hoch. Besonders wenn Kinder ihre Eltern pflegen, kommen oft die Wunden aus der Kindheit wieder hoch.
  • Der Umgang ist schwierig, besonders, wenn Demenz dabei ist, denn die Pfleglinge werden auch mal fies, aggressiv, beleidigend, ungerecht und regelrecht „verrückt“. Sie können gar nicht mehr einschätzen, wie sehr sich ihr Familienmitglied aufopfert und sind undankbar.
  • Beruflich Pflegende haben sehr viele verschiedene Patienten, wenn einer oder mehrere sehr schwierig sind, wird das durch andere liebe Patienten wieder ausgeglichen.
  • Beruflich Pflegende haben Kollegen, mit denen sie sich austauschen, gegenseitig ermuntern und stützen können. Pflegende Angehörige haben dies nicht und bekommen zusätzlich noch die Kritik anderer Familienmitglieder ab.
  • Der Alltag ist ein vollkommen anderer. Zuhause muss der Alltag auf die Pflegebedürftige Person abgestimmt sein, im Heim oder Krankenhaus wird alles vor organisiert und die Pflegekräfte machen ihren Dienst. Das bedeutet man muss weniger entscheiden.
  • Insgesamt tragen die beruflich Pflegenden weniger Verantwortung für alle Belange. Sie müssen zwar auch sehr verantwortungsvolle Aufgaben erledigen, wie die Tabletten genau zuteilen, Wunden versorgen und vieles andere. Aber es hängt nicht das Leben eines Pfleglings komplett von ihren Entscheidungen und Tätigkeiten ab.
  • Weniger Organisationsaufgaben: Beruflich Pflegende müssen nicht auch noch Steuer, Behördenangelegenheiten, Arzttermine für die Personen organisieren. Sie können sich auf die Tätigkeiten konzentrieren, für die sie ausgebildet sind.
  • Berufung: Pflegepersonal – das sind Menschen, die sich diesen Beruf ausgesucht haben, weil sie sich als dafür geeignet ansehen. Und Pflege ist eine ganz besondere Tätigkeit, die sehr vielen Menschen einfach nicht liegt.
  • 24-h- Bereitschaft: Was Pflegende Angehörige besonders strapaziert ist die Tatsache, dass sie 24 h parat stehen müssen. Sie sind immer in Alarmbereitschaft und dürfen sich gar nicht erlauben, komplett abzuschalten, wenn sie mit dem Patienten alleine sind.
  • Die Nächte sind mitunter sehr schwer und unruhig und am Tag geht trotzdem der Pflegealltag weiter. Es gibt für privat Pflegende keine Dienstzeiten.
  • Der eigene Tagesrhythmus ist bei Pflegenden Angehörigen nicht mehr vorhanden. Er muss auf die zu pflegende Person hin abgestimmt werden. Wann steht diese auf? Wann wird sie gewaschen, angezogen, Windeln gewechselt, Essen, Behandlungen..?
  • Und der Tagesablauf muss flexibel gehandhabt werden, da es den pflegebedürftigen Personen ja nicht jeden Tag gleich geht. Pflegende Angehörige können sich bei ihrem Tagesablauf nicht festlegen. Es kann immer etwas sein, wie Unwohlsein, Beschwerden.
  • Das Thema Hygiene, Stuhlgang, Wundversorgung ist für viele privat Pflegende eine große Herausforderung und oft eine tägliche Überwindung. Nicht jeder kann locker damit umgehen.
  • Fakt ist: Eigentlich sind die privaten Bindungen unter Familienmitgliedern und Lebenspartnern nicht für eine Pflegesituation gemacht. Die Familienmitglieder sind eigentlich Ehefrau, Ehemann, Kinder, Enkel, Schwestern, Brüder – aber nicht Krankenschwestern, Ärzte und Pfleger – genau das aber wird dann von ihnen abverlangt. Und zwar nicht von der erkrankten, pflegebedürftigen Person, sondern von unserer Gesellschaft, dem Staat, die die Pflege nicht besser organisieren.

Es ist einfach nicht richtig, nicht gesund und natürlich, dass die Pflege von Pflegebedürftigen, egal welchen Alters und mit welchen Erkrankungen, von einzelnen Familienmitgliedern gestemmt werden muss. Wenn die Situation irgendwie gelingt, dann nur auf Kosten der Pflegenden Angehörigen, auf Kosten ihres Privatlebens, ihrer Gesundheit, ihrer finanziellen Situation.

Staat, Krankenkassen und Gesellschaft allgemein nutzen die Pflegenden Angehörigen maßlos aus. Pflege zuhause kann in Zukunft nur gut funktionieren, wenn die Pflegenden Angehörigen viel flexibler und von mehreren Seiten aus unterstützt werden.

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