Nach der Pflege ist vor der Pflege
Wenn pflegende Angehörige in der Pflege-Spirale gefangen bleiben. Pflegende Angehörige leisten Unvorstellbares – oft über Jahre hinweg, still, unbezahlt und mit gravierenden Folgen für das eigene Leben. Doch was passiert, wenn die Pflege endet? Viele Betroffene erleben das genaue Gegenteil von Erleichterung: ein emotionales, finanzielles und existenzielles Vakuum.
Der viel zitierte Satz „Nach der Pflege ist vor der Pflege“ beschreibt für viele eine bittere Realität – denn sie finden keinen Weg zurück ins eigene Leben.
Zwischen Pflege und Perspektivlosigkeit
Für zahlreiche pflegende Angehörige beginnt die Spirale früh. Manche übernehmen als junge Erwachsene die Pflege eines Familienmitglieds, verzichten auf Ausbildung oder Berufseinstieg – oder geben später ihre Jobs auf, weil die Versorgung eines nahestehenden Menschen nicht mit einer regulären Berufstätigkeit vereinbar ist. Unterstützung vom System? Fehlanzeige. Wer pflegt, steht häufig allein da.
Wenn der gepflegte Mensch verstirbt, kommt nicht nur die Trauer. Es kommt auch der Absturz: Die monatelange oder jahrelange Vollzeitpflege hat Spuren hinterlassen – psychisch, körperlich und wirtschaftlich. Viele stehen mit leerem Lebenslauf und ohne Absicherung da. Auf dem Arbeitsamt werden sie behandelt wie Langzeitarbeitslose, nicht wie Menschen, die jahrelang für das Gemeinwohl unbezahlte Arbeit geleistet haben. Pflege zählt dort nicht als „Berufserfahrung“.
Keine Zeit zum Durchatmen
Wer in dieser Situation Orientierung sucht, findet oft nur neue Unsicherheit. Die finanziellen Mittel reichen nicht, berufliche Wiedereinstiegshilfen fehlen, die Psyche ist erschöpft. Und so entscheiden sich nicht wenige dazu, erneut in die private Pflege einzusteigen – diesmal vielleicht gegen geringe Entlohnung oder Unterkunft. Es scheint der einzige Ausweg zu sein, auch wenn die erneute Pflege die letzte Kraft raubt.
Dabei ist private Pflege mit Abstand belastender als professionelle Pflege: keine geregelten Arbeitszeiten, keine Pausen, keine Vertretung. Und kein Gehalt, das die eigene Existenz sichert. Die Abgrenzung fällt schwer, das eigene Leben bleibt auf der Strecke.
Warum das System versagt
Dass pflegende Angehörige im Alter selbst oft arm und krank sind, ist kein Zufall – sondern das Ergebnis struktureller Versäumnisse. Ihre Arbeit wird gesellschaftlich zwar gelobt, aber nicht als gleichwertig zu anderer Arbeit anerkannt. Wer pflegt, verliert oft alles – nur nicht die Verpflichtung, „funktionieren“ zu müssen.
Statt konkreter Hilfen wie Rentenausgleich, Berufseinstiegsprogramme oder psychologischer Begleitung werden Betroffene sich selbst überlassen. Sie fallen durch alle Raster – und in ein neues Pflegeverhältnis hinein.
Was sich ändern muss
Damit „Nach der Pflege“ nicht zwangsläufig „vor der nächsten Pflege“ bedeutet, braucht es:
- Anerkennung der Pflegezeit als Erwerbsarbeit
- Gezielte Programme für Wiedereinstieg und Umschulung
- Psychologische Begleitung nach dem Ende der Pflege
- Finanzielle Absicherung und einfachere und mehr Rentenpunkte
- Aufklärung und Prävention, damit private Pflege nicht zur Endstation wird
Habt ihr mit dem Thema auch Erfahrung? Schildert das gerne in den Kommentaren?
Neueste Kommentare