Ständig unter Strom – typisch für Pflegende Angehörige

Das, was wohl alle Pflegenden und Sorgenden Angehörigen eint, ist das Gefühl, permanent in Alarmbereitschaft zu sein. Abschalten ist oft nicht möglich, weil gerade dann Hilfe benötigt wird oder etwas passiert. Gerade deswegen müssten Angehörige mehr entlastet werden.

Es trifft nicht nur alle die, die aktiv selbst pflegen oder in die Pflege eingebunden sind, sondern auch die, die sich sorgen. Daher nennen manche diese Angehörigen “sorgende Angehörige”, denn auch wenn sie vielleicht gar nicht selbst pflegen müssen, sind sie doch Ansprechpartner für Ärzte, Therapeuten, Ämter und Behörden.

Und wie sehr alleine das stresst, können sich Nichtbetroffene nicht vorstellen. Auch wenn die Pflegebedürftige Person längst im Heim ist, bleibt oft die Alarmbereitschaft. Denn jederzeit kann ein Anruf kommen, dass etwas passiert ist oder man sich um etwas kümmern muss.

Pflegebedürftige sind meist wie kleine Kinder. Und das Heim ist nicht für alles verantwortlich und zuständig und so sind die Angehörigen genauso im “Dienst” wie Eltern von kleinen Kindern. Es ist also keineswegs so, dass Angehörige sich zuhause dem eigenen Leben widmen können, wenn die Pflegeperson ins Heim kommt.

Die ständige Sorge bleibt und wächst, je gebrechlicher, kränker, hilfloser oder auch schwieriger die Pflegebedürftige Person mit der Zeit wird. Und wir alle wissen, dass es meist schwieriger und nicht einfacher wird.

Manche Angehörige fahren regelmäßig weite Strecken zu Mutter oder Vater, um nach ihnen zu schauen, zu putzen, Erledigungen vorzunehmen oder sie einfach nur zu besuchen. Meist finden sie dann irgendetwas Negatives vor. Bei dementkranken sowieso, weil diese den Alltag nicht mehr geregelt bekommen, Dinge falsch sortieren und den Toilettengang nicht schaffen.

Das Besuchen bedeutet dann für die “nur sorgenden Angehörigen”, ein Chaos vorzufinden oder eine verwahrloste Person oder auch nur eine aggressive Person. Und nein, es ist nicht immer so leicht, dann jemanden ins Heim zu bekommen oder einen Pflegedienst zu beauftragen. Selbst wenn Platz dafür wäre, so will die Pflegebedürftige Person das oft nicht, und kann nicht gezwungen werden.

Es passieren viele Dinge, wenn ein älterer Mensch abbaut. Einige können nicht mehr mit dem Geld umgehen und so gibt es ständig Probleme mit der Bank, andere haben große Hygieneprobleme etc. All dies sind dann auf einmal Themen, um die sich die erwachsenen Kinder kümmern sollen, denn so erwarten es dann auf einmal sämtliche Behörden, Ämter, Pflegepersonal und Ärzte. Irgendjemand muss ja Ansprechpartner sein, sonst droht ein gesetzlicher Betreuer.

All diese Aufgaben kommen zum eigenen Alltag, zu den eigenen Krankheiten hinzu. Der immense Zeitaufwand, alleine für die ganzen behördlichen Aufgaben, wird von niemandem ersetzt. Wenn es fair wäre, könnte man ihn wenigstens von der Steuer abrechnen. Aber nein, all dies wird in unserer Gesellschaft, von unserem Staat und den Krankenkassen als vollkommen selbstverständlich hingenommen.

Aber diese neuen Tätigkeiten stressen viele Angehörige schon genug, dazu kommen dann die Sorgen und Ängste um die pflegebedürftige Person.

Ständig unter Strom – typisch für Pflegende Angehörige

Wie abschalten, wenn man immer im Dienst ist

Es gibt viele Tipps von Leuten, die nicht selber aktiv pflegen oder in der Situation waren, dass ein Angehöriger Pflegefall wurde. Sie alle raten den Betroffenen permanent “Kümmer um dich selbst!”, “Du musst auch mal an dich denken!”, “Nimm dir Auszeiten”. Auch in den Ratgebern liest man zahlreiche Tipps, wie Pflegende Angehörige sich mehr um sich selbst kümmern sollen. Aber! Finde den Fehler!!

Pflegende Angehörige SOLLEN sich um sich selbst kümmern! Weil es andere nicht tun wollen.

Pflegende Angehörige sollen sich um sich selbst kümmern, auf sich selbst achten – ganz einfach deshalb, weil es sonst keiner tun mag! Das ist nämlich der Punkt! Würden sie mehr entlastet, wären sie auch nicht permanent unter Strom. Würden Krankenkassen, Regierung, Behörden, aber auch alle Kontaktpersonen wie Ärzte, Therapeuten und Pflegepersonal endlich einmal realisieren, dass Pflegende Angehörige komplett überlastet sind und selbst Hilfe brauchen, nicht nur der Pflegebedürftige, dann wäre die Situation komplett anders.

Es ist schlichtweg nicht möglich, sich großartig um sich selbst zu kümmern, wenn man pflegt! Es fehlt nicht mal in erster Linie Zeit, sondern es ist einfach die ständige Bereitschaft, in der man steht. Viele Pflegebedürftige werden von einer einzigen vertrauten Person gepflegt, die dann für alles zuständig ist.

Diese Person kann nicht so einfach ersetzt werden. Auch, wenn mal jemand anderes Aufgaben in der Pflege übernimmt oder die Person in Kurzzeitpflege ins Heim kommt, so bleiben immer noch genug Aufgaben, die die pflegende Person erledigen muss. Auch Kurzzeitpflege heißt für die Angehörigen nicht, dass sie komplett abschalten und sich um sich selbst kümmern können.

Viele Heime erwarten auch, dass es einen Ansprechpartner vor Ort gibt und man bei Bedarf kommen kann. Klar, trotzdem fahren die Angehörigen in Urlaub – aber mit welchem schlechten Gewissen im Bauch – und auch das ist nicht gesund!

All die Entspannungstipps, die Außenstehende und Fachpersonal geben, sind eher eine paar Tropfen auf dem heißen Stein, als dass sie eine Entspannung wie im normalen Leben herbeiführen könnten.

In der Folge werden viele Pflegende Angehörige selbst krank.

Wenn man Pflegende Angehörige selber ernsthaft fragen würde, dann würden die meisten antworten:

“Ich brauche kein Stressmanagement und keine Entspannungstipps, ich brauche Entlastung!”

 

 

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