Wie läuft Pflege in China ab – und wie geht es den pflegenden Angehörigen?
Andere Länder, andere Sitten. Immer wieder fällt auf, dass andere Länder deutlich besser mit Pflegenden Angehörigen umgehen oder insgesamt die Pflege besser organisieren, weil das Kümmern um Alte und Kranke in ihrer Kultur fest verankert ist. Ein Beispiel ist China. Wir beginnen hier eine kleine Reihe und schauen in die Pflegesituation anderer Länder!
Traditionelle Werte: „Pflicht“ und familiärer Rückhalt
In China spielt das Prinzip der sogenannten „kindlichen Pietät“ (oft übersetzt mit filial piety) eine wichtige Rolle: Kinder — insbesondere erwachsene Töchter oder Schwiegertöchter — übernehmen traditionell die Pflege älterer Eltern. Die Verantwortung für die Eltern gilt als moralische Pflicht und Ausdruck von Respekt und Fürsorge.
Deshalb erhält ein Großteil der älteren Menschen ihre Pflege von Familienmitgliedern und nicht von professionellen Diensten. Das sogenannte informelle Care‑Netzwerk — also Pflege durch Angehörige — ist nach wie vor die Hauptsäule der Altersversorgung.
Doch diese Tradition muss sich heute neu behaupten — angesichts von Urbanisierung, Binnenmigration, kleiner werdenden Familien und der Herausforderungen des modernen Alltags.
Wie viel Pflege kommt von der Familie — und wie viele sind darauf angewiesen?
Eine umfassende Studie aus den Jahren 2015–2018 zeigt: Für viele Senior:innen in China ist informelle Pflege Realität. Bei älteren Menschen, die gepflegt werden, steigt die Nutzung von Gesundheitsdiensten — sowohl ambulant als auch stationär — wenn sie informell betreut werden.
Eine Prognose bis 2040 rechnet damit, dass die Zahl besonders pflegebedürftiger älterer Menschen stark steigen wird — und die Krankenpflege in vielen Fällen weiterhin auf Ehepartner oder Kinder zurückfallen wird.
Das heißt: Auch wenn China formale Pflege‑ und Unterstützungsangebote ausbaut — die informelle Pflege bleibt ein zentraler, jahrhundertealter Pfeiler der Versorgung.
Belastung und Folgen für pflegende Angehörige
Doch wie wirkt sich diese informelle Pflege auf die Menschen aus, die sie leisten? Eine aktuelle Langzeitstudie mit Daten von 2016, 2018 und 2020 kommt zu einem klaren Ergebnis: Angehörige, die regelmäßig und häufig pflegen, berichten von einer deutlich geringeren subjektiven Lebensqualität und mehr Stress.
Die negativen Folgen sind oft: weniger Freizeit, weniger Schlaf, weniger Einkommen und weniger soziale Aktivitäten — Faktoren, die Lebensfreude und Gesundheit beeinträchtigen können.
Besonders stark betroffen sind pflegende Angehörige mit geringen finanziellen Mitteln, in ländlichen Regionen, mit wenig Bildung oder in prekären Arbeitsverhältnissen. Häufig sind Frauen diejenigen, die den Großteil der Pflege übernehmen.
Auch im Bereich der Pflege psychisch erkrankter Menschen zeigen neueste Untersuchungen: Eine große Mehrheit der informellen Pflegenden leidet unter hoher Belastung, viele berichten über depressive Symptome oder starke Angstzustände.
Schrittweise Veränderungen: Staat, Gemeinde & neue Angebote
China reagiert auf die demografische Entwicklung und setzt zunehmend auf den Ausbau der sogenannten „silver economy“ — also auf Dienstleistungen, Einrichtungen und Angebote für ältere Menschen und Pflegebedürftige. Laut offizieller Pläne sind bis 2050 viele Millionen neue Arbeitsplätze im Pflegesektor vorgesehen; das betrifft Altenheime, ambulante Pflege, aber auch technologische Innovationen (z. B. Robotik, Senioren‑Dienstleistungen).
Studien zeigen darüber hinaus, dass bei guter Verfügbarkeit von Bausteinen wie häuslicher Alltagsunterstützung und gemeindebasierter Gesundheitsversorgung der Druck auf informelle Pflegende deutlich verringert werden kann. Besonders in Städten wirkt sich die bessere Infrastruktur positiv aus.
Doch der Ausbau formaler Pflege bleibt regional sehr unterschiedlich — insbesondere außerhalb der großen Metropolen, in ländlichen Regionen, gibt es große Versorgungs- und Unterstützungsdefizite. Dort bleibt Pflege in der Familie oft die einzige Option.

Alltag und Realität — zwischen Verantwortung und Überforderung
Für viele pflegende Angehörige heißt das: ein täglicher Balanceakt zwischen Pflege, Beruf, Haushalt und dem Versuch, etwas eigenes Leben aufrechtzuerhalten. Besonders betroffen sind Menschen mit geringem Einkommen, alleinlebende Familienmitglieder oder solche, die in ständiger Sorge um Gesundheit und Wohlbefinden der Eltern stehen.
Gleichzeitig bleibt die familiäre Pflege oft unsichtbar: Im Alltag wird sie als selbstverständlich angenommen — ihre körperlichen und psychischen Folgen für die Pflegenden kaum thematisiert.
Dennoch gibt es Wertschätzung: Für Eltern und ältere Generationen bedeutet es oft viel, in der Familie betreut zu werden — nicht nur aus Pflicht, sondern aus Respekt und Fürsorge. Für viele bleibt die Pflege ein Ausdruck tiefer Verbundenheit und Verantwortung.
Was wir daraus lernen können — und worauf wir achten sollten
- Pflege als gesellschaftliche Aufgabe: Auch wenn familiäre Pflege in China tief verwurzelt ist, lassen sich Elemente des dortigen Verständnisses auf andere Kulturen übertragen — Investitionen in Pflegeinfrastruktur und Angebote für Senioren, um Angehörige zu entlasten.
- Wenn Pflege allein Aufgabe der Familie bleibt: Hohe Belastungen für Pflegende sind fast unvermeidlich — das braucht konkrete Unterstützung, Wege zur Vereinbarkeit von Arbeit, Freizeit und Pflege, und Anerkennung der Pflegetätigkeit.
- Wandel braucht Raum: Mit dem demografischen Wandel und veränderten Familienstrukturen müssen Gesellschaft und Politik neue Konzepte für Pflege und Betreuung entwickeln — sowohl formal (Heime, Dienste) als auch informell (Familie, Gemeinschaft).
- Aufmerksamkeit auf ländliche Regionen: Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist groß — besonders dort, wo formale Angebote fehlen, bleiben Angehörige oft allein mit der Pflegelast.
Die Pflege älterer Menschen in China ist — trotz Kultur, Tradition und familiärer Nähe — kein „naturgegebenes Wohlfühlmodell“. Für viele Familien bedeutet sie große Belastung und Unsicherheit. Doch in den letzten Jahren hat China begonnen, umzudenken: Staat, Gemeinden und die Wirtschaft reagieren mit Angeboten, die darauf abzielen, Pflege neu zu organisieren — mit mehr Unterstützung, Infrastruktur und professioneller Hilfe.
Deutschsprachige Erfahrungsberichte & Artikel zu Pflege in China
- „Bis in den Tod – Über die Belastung häuslicher Pflege in China“
- Erfahrungsbericht über den Alltag pflegender Angehöriger in China, inklusive psychischer Belastung.
- chinahirn.de
- „Oma allein zuhaus – Fachkräftemangel bei der Altenpflege in China“
- Artikel über den Mangel an professionellen Pflegekräften und die Folgen für pflegebedürftige ältere Menschen.
- german.people.com.cn
- „Altenpflege in China soll aufgebaut werden“
- Bericht über staatliche Reformen und Initiativen zur Verbesserung der Altenpflege in China.
- deutschlandfunk.de
- Deutsch-Chinesische Gesellschaft für Pflege e.V. – Projekte & Berichte
- Informationen zu Pflegeprojekten, Austauschprogrammen und Erfahrungen aus China, teils Interviews.
- dc-gpflege.de
Pflege in China vs. Deutschland
| Aspekt | China | Deutschland |
|---|---|---|
| Organisation & Infrastruktur | Hauptsächlich familiäre Pflege (informell), formale Angebote existieren, aber lückenhaft | Stark institutionalisiert: Pflegeheime, ambulante Dienste, Pflegeversicherung, Unterstützungsangebote für Angehörige |
| Gesellschaftliche Wertschätzung | Hohe kulturelle Anerkennung: Pflege gilt als moralische Pflicht („Xiaojing“) | Weniger öffentliche Anerkennung für pflegende Angehörige, Pflege wird eher als private Aufgabe gesehen |
| Belastung der Angehörigen | Sehr hoch, besonders auf dem Land; psychische und physische Belastung groß | Hoch, aber oft abgefedert durch Gesetze, finanzielle Unterstützung und professionelle Dienste |
| Wandel & Zukunftsperspektive | Staat investiert in Seniorenwirtschaft, Ausbau formaler Pflegeangebote, technologische Unterstützung in Städten | System etabliert, aber mit Fachkräftemangel konfrontiert, steigender Zahl Pflegebedürftiger |
Pflegehilfsmittel von Chinesen entwickelt
China stellt ja nicht nur eine Vielzahl unserer Waren in Deutschland und co. dar, sondern es entwickelt auch selbst sehr praktische Pflegehilfsmittel. Sie sind dort viel näher und schneller am Problem. Sie entwickeln viel schneller Hilfsmittel, die auf den Bedarf älterer und hilfloser Menschen zugeschnitten sind, während unsere Bürokratie vieles ausbremst.
In Deutschland dauert der Zugang solcher Innovationen jedoch länger, weil Zulassung, Sicherheitsprüfungen und die Erstattungsfähigkeit durch die Pflegekassen erst geprüft werden müssen. Zudem ist der Import und die lokale Betreuung der Geräte ein zusätzlicher Faktor. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen schneller Innovation im Ausland und langsamer Umsetzung im heimischen Pflegesystem. Kooperationen oder Pilotprojekte könnten den Transfer beschleunigen und den Nutzen für Pflegekräfte und Patienten schneller verfügbar machen.
Als Pflegender Angehöriger hat man oft das Gefühl, dass das bürokratische System mit den an die Pflegekassen angeschlossenen Sanitätshäusern und all den Anträgen, die Pflege zuhause enorm erschwert, einschränkt und behindert. Sehr oft bestellt man als Pflegender dann auf eigene Kassen Hilfsmittel, die man im Web findet, selbst. Ein Beispiel für eine solches Hilfsmittel ist das Transferkissen, dass es lange Zeit nur versteckt auf ebay gab, bis es auch hierzulande als praktisch anerkannt wurde.
Beispiele chinesischer Pflegehilfsmittel mit Potenzial
Einige Hersteller in China bieten bereits Geräte an, die genau auf den Alltag in der Pflege abzielen — inklusive Betten‑zu‑Toilette‑Transfer, multifunktionale Rollstühle, Hebehilfen, etc.:
- Elektrische Transfer-/Lift‑Stühle mit Toilettenfunktion: Es gibt Produkte, bei denen ein Stuhl mit elektrisch verstellbarer Sitzhöhe und Hebefunktion sowohl als Rollstuhl, Toilettenstuhl und Transferhilfe (von Bett → Stuhl/Toilette) genutzt werden kann. (xflmedical.en.made-in-china.com)
- Hydraulische Patienten‑Transfer‑Stühle mit Split–Sitz: Einige Modelle sind so konstruiert, dass der Sitz sich in der Mitte öffnet bzw. teilt — das macht es einfacher, eine Person aus dem Bett umzusetzen, ohne manuell heben zu müssen. So ein Stuhl kann als Badezimmerrollstuhl, Toilettenstuhl oder zum Transfer fungieren. (zsyingyun.en.made-in-china.com)
- Multifunktionale Betten/Rollstuhl‑Kombinationen mit WC: Es gibt Angebote für Seniorenpflegen, bei denen Rollstuhl, Bett und Toilette in einer Konstruktion kombiniert sind – also Geräte, die nahe an deinem beschriebenen „Toilettenrollstuhl + umklappbare Sitzlösung für Bettpatienten“ liegen. (Made-in-China)
- Marktpräsenz bei internationalen Messen: Hersteller aus China zeigen ihre Geräte zunehmend auf weltweiten Fachmessen — z. B. präsentierte ein chinesisches Unternehmen 2025 auf der internationalen Medizintechnik‑Messe in Düsseldorf elektrisch und hydraulisch arbeitende Patienten‑Lifter, also Geräte, die gerade für die Pflege älterer und mobilitätseingeschränkter Menschen gedacht sind. (careagehc.com)
Hürden und Herausforderungen bei Kassenübernahme bzw. Alltagseinsatz in Deutschland
Trotz des Potenzials sind einige Hindernisse realistisch — das erklärt, warum solche Geräte oft nicht sofort erhältlich sind oder von Pflegekassen übernommen werden:
- Zulassung und Regulierung: Nur weil ein Gerät „made in China“ CE‑zertifiziert ist, heißt das nicht automatisch, dass es in Deutschland als erstattungsfähiges Hilfsmittel anerkannt wird. Die jeweiligen Normen, Sicherheitsprüfung, Dokumentation und Prüfberichte müssen vorliegen — was gerade bei neuartigen Geräten zeit- und kostenintensiv sein kann.
- Einstufung im Hilfsmittelverzeichnis / Erstattungsgruppen: In Deutschland sind Pflegehilfsmittel unterschiedlichen Produktgruppen und Erstattungsregeln unterworfen. Bislang sind viele Geräte klassisch: Toilettenstuhl, Duschstuhl, Standard-Rollstuhl etc. Geräte mit neuartigen Funktionen oder Kombinationen könnten erst geprüft werden müssen — das verzögert die Anerkennung.
- Vertrieb, Service und Wartung: Ein chinesischer Hersteller müsste einen Partner in Deutschland bzw. Europa finden, der Import, Vertrieb, Anpassung, Wartung und gegebenenfalls Ersatzteile übernimmt — ohne solche Infrastruktur sind Geräte schwer praktikabel.
- Kosten und Wirtschaftlichkeit: Auch wenn der Gerätekauf oder die Miete auf lange Sicht günstiger oder einfacher sein kann — Pflegekassen und Sanitätshäuser prüfen, ob der Nutzen gerechtfertigt und sicher ist. Gerade bei multifunktionalen Geräten mit Hebe-/Liftmechanik muss geprüft sein, dass sie den Alltag tatsächlich erleichtern und nicht neue Risiken bergen.


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