Wie bringt man Dementen den Tod naher Personen bei?

 

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das für uns alle schwer – für Menschen mit Demenz und deren Angehörige kann es jedoch zu einer besonderen Herausforderung werden. Sie vergessen, was passiert ist, fragen wiederholt nach der verstorbenen Person – und erleben den Verlust immer wieder neu.

Was ist in solchen Fällen richtig? Soll man ihnen jedes Mal die Wahrheit sagen? Oder ist es besser, eine andere Erklärung zu finden?

Die schwierige Wahrheit: Immer wieder Abschied nehmen

Viele pflegende Angehörige kennen diese Situation: Die demenzerkrankte Mutter fragt nach dem verstorbenen Ehemann – zum zehnten Mal an diesem Tag. Jedes Mal, wenn man antwortet „Er ist gestorben“, ist das Entsetzen groß. Tränen fließen, es folgen Verzweiflung und Schmerz. Und am nächsten Tag beginnt alles von vorn. Es ist, als würde der Partner jeden Tag erneut sterben.

Diese wiederholte Konfrontation mit dem Tod kann für Betroffene extrem belastend sein – aber auch für die Pflegenden. Schließlich möchte niemand bewusst Schmerz verursachen, doch Lügen fällt vielen ebenso schwer.

Was sagen Expert:innen?

Fachleute aus der Gerontopsychiatrie und Demenzforschung raten in vielen Fällen dazu, nicht auf der harten Realität zu beharren. Denn Menschen mit fortgeschrittener Demenz leben oft in einer eigenen Welt, in der sich Gegenwart und Vergangenheit vermischen.

Der Satz „Man darf sie nicht immer wieder sterben lassen“ bringt es auf den Punkt: Es geht nicht darum, jemanden anzulügen – sondern darum, empathisch zu begleiten.

Wahrheit oder Trost? Was Angehörige tun können

Hier einige mögliche Strategien:

  • Ablenken statt erklären: Wenn eine Frage kommt wie „Wo ist Papa?“, kann man antworten:
    „Er ist gerade nicht da, aber du kannst mir ja mal erzählen, was ihr früher gerne zusammen gemacht habt.“
  • Gefühle ernst nehmen: Statt die Person direkt mit der Todesnachricht zu konfrontieren, kann man fragen:
    „Vermisst du ihn sehr?“ – So zeigt man Mitgefühl, ohne erneut Trauer auszulösen.
  • Eine liebevolle Notlüge: In manchen Fällen hilft ein Satz wie:
    „Er ist gerade unterwegs / im Urlaub / beim Arzt.“
    Diese Art der „Validation“ orientiert sich an der Welt der Betroffenen, nicht an unserer.
  • Erinnerungen aktivieren: Fotos, Musik oder kleine Rituale können helfen, die Verbindung zur verstorbenen Person zu bewahren – ohne sie jedes Mal neu zu erklären.

Schuldgefühle sind normal – aber oft unbegründet

Viele Angehörige kämpfen mit dem Gefühl, durch das Verschweigen der Wahrheit unehrlich oder „respektlos“ zu handeln. Doch: Was zählt, ist das emotionale Wohl der betroffenen Person.

Wenn die Wahrheit zur Belastung wird, ist es vollkommen legitim, einen anderen Weg zu wählen – einen, der Vertrauen, Trost und Sicherheit vermittelt.

Fazit: Die Wahrheit ist nicht immer das Wichtigste

In der Begleitung dementer Menschen geht es oft nicht um Fakten, sondern um Gefühle, Beziehungen und Geborgenheit. Wer liebevoll begleitet, mitfühlt und tröstet, tut bereits sehr viel – auch wenn nicht jede Antwort wahr im klassischen Sinn ist.

Denn manchmal bedeutet Menschlichkeit: nicht die Wahrheit zu sagen, sondern das Herz zu verstehen.

Das wiederum erfordert umdenken, sind wir doch in unserer Leistungsgesellschaft auf andere Werte gepolt. Und jemanden anzulügen, das geht uns gegen den Strich. Viele beharren auch in der Pflege auf starre Regeln und Ordnungssysteme.

Die lassen sich aber gerade bei Dementkranken nicht aufrecht erhalten. Die Demenz spielt da nicht mit. Und so hat sich die Pflege Dementkranker in den letzten 10 Jahren enorm gewandelt, hin zu viel mehr Flexibiliät und Empathie.

Denn ein „normaler“ Umgang lässt sich nicht durchsetzen und bringt auch die Pflegenden an den Rand ihrer Kräfte. Daher ist es so wichtig, dass das Pflegepersonal und eben auch die Angehörigen geschult werden, mit der Demenz richtig umzugehen.

Wer als Pflegender Angehöriger natürlich aus Zeitgründen keinen Kurs oder Workshop zu dem Thema besuchen kann, der kann allerdings viel online lesen und Tipps einholen.

Eigene Erfahrung: Wir haben es auch so erlebt, dass unser dementer Angehöriger den Tod naher Menschen nicht mehr verstanden hat. So wurde auf den Tod der Nachbarin übertrieben emotional mit einem absoluten Tief reagiert, obwohl das Verhältnis zu ihr gar nicht besonders eng war. 

Unterbewusst wurde der Tod wahrscheinlich mit dem Tod der eigenen Ehefrau verbunden und es kamen wieder die alten Gefühle hoch. Dagegen wurde der Tod des Schwagers relativ gleichgültig hingenommen bzw. nicht verstanden. All das waren keine üblichen/normalen Reaktionen unseres Vaters mehr. 

Wir haben dann beschlossen, weitere Todesfälle von nahen Verwandten/Personen ihm nicht mehr mitzuteilen. Es hätte schlichtweg niemandem etwas gebracht. Am allerwenigsten ihm selbst. 

 


Hilfe und Beratung: Du musst das nicht allein durchstehen

Die Begleitung eines demenzerkrankten Menschen ist emotional und körperlich fordernd. Niemand sollte diese Aufgabe allein tragen müssen. Zum Glück gibt es zahlreiche Unterstützungsangebote – von telefonischer Beratung bis zu lokalen Gesprächsgruppen.

Deutschland:

  • Alzheimer-Telefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft
    📞 030 259 37 95 14
    🕘 Mo–Do 9–18 Uhr, Fr 9–15 Uhr
    👉 www.deutsche-alzheimer.de
    Hier erhalten Angehörige kompetente, anonyme Beratung zu allen Fragen rund um Demenz.
  • Pflegestützpunkte vor Ort bieten individuelle Beratung zur häuslichen Pflege, Entlastungsleistungen, rechtlichen Fragen u.v.m.
    👉 Zu finden unter: www.zqp.de/pflegestuetzpunkte

Schweiz:

  • Alzheimer Schweiz – Helpline für Betroffene und Angehörige
    📞 058 058 80 00
    🕘 Mo–Fr 8–12 Uhr
    👉 www.alzheimer-schweiz.ch
    Außerdem bietet Alzheimer Schweiz Schulungen, Broschüren und Austauschmöglichkeiten.

Österreich:

  • MAS Alzheimerhilfe – Demenz-Servicezentrum Österreich
    📞 +43 7752 214 00
    👉 www.alzheimerhilfe.at
    Umfangreiche Beratung, Schulungen und Angebote zur Entlastung pflegender Angehöriger.

Weitere hilfreiche Angebote:

  • Demenz Partner – kostenlose Schulungen und Materialien für den Alltag mit Demenz
    👉 www.demenz-partner.de
  • Online-Foren und Selbsthilfegruppen, z. B. über die Deutsche Alzheimer Gesellschaft oder Facebook-Gruppen, bieten Austausch und emotionale Unterstützung.

 

 

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