Wie sieht die Pflege in Schweden aus?

In Schweden wird Pflege völlig anders organisiert und die Angehörigen sind nicht in der Pflicht. Für viele in Deutschland unvorstellbar, wird hierzulande doch immer so getan, als gäbe es keine anderen Lösungen und alles würde zu viel Geld kosten.

Wenn man sich die Pflege älterer Menschen in Schweden anschaut, fällt eines sofort auf:
Pflege beginnt dort nicht mit der Frage „Wer aus der Familie übernimmt das?“, sondern mit der Frage „Was braucht dieser Mensch, um weiter gut leben zu können?“

Das verändert alles – auch für die Angehörigen.

Die Kommune trägt die Verantwortung

In Schweden liegt die Pflege älterer Menschen fast vollständig in der Verantwortung der Kommunen. Das bedeutet: Nicht Krankenkassen, nicht die Familie, sondern die Gemeinde organisiert Unterstützung, sobald ein Bedarf festgestellt wird.

Konkret heißt das:

  • Hilfe im Haushalt
  • ambulante Pflege (Körperpflege, Medikamente, Essen)
  • Tagesangebote
  • später auch betreutes Wohnen oder Pflegeeinrichtungen

Diese Leistungen werden bedarfsgerecht vergeben – nicht danach, ob Angehörige verfügbar sind oder nicht.

Für pflegende Angehörige ist das ein zentraler Unterschied zu Deutschland:
Die eigene Belastbarkeit ist keine Voraussetzung für Hilfe.

Angehörige sind nicht automatisch Pflegepersonen

In Schweden gilt es nicht als selbstverständlich, dass Kinder oder Partner:innen pflegen. Viele Angehörige unterstützen emotional, organisatorisch oder durch Anwesenheit – aber sie übernehmen nicht automatisch die körperlich schwere Pflege.

Das bedeutet:

  • keine moralische Erwartung, selbst zu waschen oder zu versorgen
  • keine Rechtfertigung nötig, wenn Pflege abgegeben wird
  • keine stillschweigende Schuldzuweisung

Pflege ist dort kein Beweis von Liebe oder Beziehung. Wer unser Pflegesystem erlebt hat, kan hier nur staunen.

Pflege ist planbar – nicht erst ein Notfall

Ein weiterer schwedischer Unterschied: Pflege ist kein Kriseninstrument, sondern ein geplanter Prozess.

Es gibt:

  • feste Ansprechpartner
  • regelmäßige Neubewertungen des Bedarfs
  • Anpassungen, wenn sich der Zustand verschlechtert

Angehörige müssen nicht kämpfen, erklären oder eskalieren, um Unterstützung zu bekommen. Hilfe ist kein letzter Ausweg, sondern Teil des Systems. Das nimmt enormen Druck aus der Situation – auch emotional.

Was das mit Angehörigen macht

Viele Angehörige in Schweden berichten von:

  • weniger Erschöpfung
  • besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • mehr innerer Ruhe

Aber auch von:

  • einem Gefühl, weniger gebraucht zu werden

Nähe ohne Aufopferung – geht das?

Ein interessanter Effekt: Weil Angehörige nicht durch körperliche Pflege erschöpft sind, bleibt oft mehr Raum für echte Nähe. Gespräche, Zeit, gemeinsame Momente.

Gleichzeitig berichten manche ältere Menschen von Einsamkeit – besonders dann, wenn Familie weit weg lebt und Pflege überwiegend professionell stattfindet.

Schweden zeigt damit etwas Wichtiges:
Pflege kann gut organisiert sein – und trotzdem emotional herausfordern.

Was Schweden anders macht – und was wir daraus mitnehmen können

Schweden macht Pflege: früher, öffentlicher, entlastender. Deutschland macht Pflege: familiärer, verpflichtender und damit zu einem persönlichen Aspekt und einer persönlichen Schuld- und Verantwortungsfrage.

Weiterführende Quellen:

 

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