Die eigenen Kinder pflegen – eine ganz besondere Pflegesituation

Pflege ist nicht gleich Pflege – es macht einen großen Unterschied, ob jemand sein Kind pflegt oder alt gewordene Eltern oder seinen Partner. Auch macht es einen Unterschied, in welchem Alter man pflegt, Pflegende Angehörige haben oft ganz unterschiedliche Lebenswelten – es eint sie aber die Vernachlässigung durch Staat und Gesellschaft.

Pflege ist nie leicht – doch wenn es das eigene Kind ist, das dauerhaft auf Unterstützung angewiesen ist, bekommt die Aufgabe eine ganz andere Dimension. Es geht nicht nur um Organisation, Belastung und Verantwortung – es auch vielleicht noch mehr ums Herz als bei Erwachsenen.

Man wünscht jedem Kind, dass es unbekümmert, ohne Schmerzen und Einschränkungen aufwachsen darf und kann, aber das ist nicht jedem vom Schicksal geschenkt. Ein Kind mit Einschränkungen zu haben, ist sehr schmerzhaft, weil man immer sehr viel Mitleid und sehr viel Sorgen hat. Es geht um eine Elternrolle, die sich nie so entfalten darf wie erhofft. Um eine Zukunft, die anders verläuft als geplant. Und um eine Liebe, die oft übermenschliche Kräfte braucht.

Wenn Elternrolle zur Pflegeaufgabe wird

Eltern wollen ihre Kinder großziehen, begleiten, ins Leben führen. Doch wenn ein Kind schwer krank geboren wird oder durch Unfall oder Krankheit pflegebedürftig wird, verändert sich alles. Aus Fürsorge wird Verantwortung, aus Erziehung wird Pflege – oft rund um die Uhr, ein Leben lang.

Statt Kita und Spielplatz stehen oftmals in erster Linie Therapien, Hilfsmittel, ärztliche Betreuung und Anträge auf dem Plan. Die Rolle als Mutter oder Vater verschiebt sich: Eltern werden zu Pfleger:innen, Koordinator:innen, Krankenschwestern, Dolmetscher:innen medizinischer Fachsprache – und dabei trotzdem weiterhin Eltern mit all den emotionalen Bedürfnissen, Ängsten, Hoffnungen und Zweifeln.

Das das die komplette Überlastung bedeutet wollen viele Außenstehende nicht sehen, auch die Krankenkassen und zuständigen Behörden/Ämter nicht

Ein Alltag ohne Pause

Die Pflege eines Kindes unterscheidet sich grundlegend von der Pflege alter Menschen. Denn bei Kindern geht man eigentlich davon aus, dass sie irgendwann selbstständig werden. Dass sie wachsen, reifen, ihren eigenen Weg gehen. Diese Hoffnung bleibt bei pflegebedürftigen Kindern oft unerfüllt. Die Vorstellung von „später wird es besser“ fehlt – und mit ihr auch ein psychischer Entlastungspunkt.

Viele Eltern pflegen über Jahre hinweg ohne Pause. Selbst wenn Hilfen vorhanden sind, trauen sie oft nur sich selbst. Sie kennen jedes Symptom, jede Reaktion, jeden Blick. Und das lässt sie nicht los – auch nicht in der Nacht, auch nicht im Urlaub. Denn es ist ihr Kind.

Es ist aber nicht alles negativ. Kinder haben meist von Natur aus eine Grundlebensfreude, sehr viel Energie und Neugierde, auch schenken sie sehr viel Liebe, was es den pflegenden Eltern wiederum leichter macht, als wenn Sohn oder Tochter ihre alten Eltern pflegen, die altersentsprechend oftmals dement und depressiv werden, ihnen keine Dankbarkeit mehr schenken können.

Das Lachen eines Kindes macht eben oft sehr viel wieder wett.

Gesellschaftlich unsichtbar wie alle Pflegenden Angehörigen

Die Pflege von Kindern findet meist im Verborgenen statt. Anders als bei älteren Menschen wird sie nicht als „Pflege“ im klassischen Sinn wahrgenommen. Wer ein schwerbehindertes Kind versorgt, bekommt selten die ausreichend gesellschaftliche Aufmerksamkeit oder Anerkennung.

Oft fehlt das Verständnis. Viele sehen „nur“ ein Kind – aber nicht die vielen Sorgen, Unsicherheiten, schlaflosen Nächte, körperlichen Belastungen und psychischen Herausforderungen, mit denen die Eltern täglich leben. Sie kämpfen mit Behörden, kämpfen für Inklusion, kämpfen gegen Erschöpfung – und kämpfen oft auch für das seelische Gleichgewicht in der Familie.

Lebenslang – mit offenem Ende

Was die Situation besonders macht: Die Pflege eines Kindes endet nicht irgendwann mit dem Tod, wie bei alten Menschen – sie endet häufig gar nicht. Denn das eigene Kind begleitet einen ein Leben lang. Und mit ihm auch die Sorge: Wer kümmert sich, wenn ich nicht mehr kann? Wer übernimmt, wenn ich krank werde? Was passiert, wenn ich sterbe?

Diese Fragen sind belastend, existenziell – und doch sind sie Alltag für viele pflegende Eltern. Während andere Eltern sich mit Ausbildung, Auszug, Studium und Selbstständigkeit ihrer Kinder beschäftigen, stehen pflegende Eltern oft noch Jahrzehnte später beim Arzt, beim Sozialamt, bei der Medikamentenausgabe.

Eine besondere Art von Liebe

Ein Kind zu pflegen ist eine tiefgreifende Erfahrung. Eine, die stärkt – aber auch aufzehrt. Die erfüllt – aber auch auslaugt. Es ist eine besondere Form von Liebe, die sich nicht an Entwicklungsschritte oder Erfolge bindet, sondern am puren Dasein des Kindes orientiert. Diese Liebe verdient mehr Sichtbarkeit. Mehr Unterstützung. Mehr Anerkennung.

Denn pflegende Eltern sind nicht „einfach nur Eltern“ – sie sind tagtäglich über sich hinauswachsende Menschen, die ihre ganze Kraft für ein Leben geben, das nie einfach war. Aber immer ihr Kind bleibt.

 

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