Wahre Fallbeispiele: Der Alltag von Pflegenden Angehörigen Teil 2

Die Multimorbidität vieler Pflegebedürftiger macht die Pflege heutzutage so unglaublich schwierig und kräftezehrend.

Tochter pflegt Mutter und Opa

Nicole, zwischen 30 und 40 Jahren pflegt ihre Mutter und ihren Opa gemeinsam mit ihrem Vater. Die Mutter hat die Diagnose Parkinson, Depressionen, Diabetes, Allergisches Asthma, SPDK (Bauchdeckenkatheter), Ödeme an beiden Seiten, künstliche Kniegelenke, kann schwer laufen.

Dazu chronische Verstopfung. Verweigert das bewährte Abführmittel Movicol u.a.Opa hat auch Parkinson und Alzheimer. Die Tochter ist aktuell für 16 Tage bei der Mutter, da der Ehemann (Vater der Pflegenden) zu seiner Familie musste. Es gibt noch eine jüngere Schwester, die in der Nähe wohnt, aber die Pflege verweigert, weil es sie „anekelt“. So stemmen die eine Tochter und ihr Vater alles alleine.
Die pflegende Tochter ist manisch depressiv inzwischen und bipolar.

Ihre Mutter, bei der sie aktuell wohnt, verlangt alle paar Minuten nach ihr. Mutter geht nicht mehr raus, bleibt oft über 10 Tage zuhause.
Inzwischen hat die Mutter zugesagt, ein Pflegebett zu nehmen, aber sie will sich nicht lagern lagern/drehen lassen, Windeln wechseln lassen, wenn es nötig ist.

Auch kann man sie nur nach rechts drehen, das sonst ihre beiden neuen Kniegelenke schmerzen.
Der Schlafmangel und psychische Stress verursachen bei der Tochter zur manischen Depression chronische Durchfälle. Die Mutter möchte nicht, dass ein Pflegedienst ihr die Tabletten verabreicht.

Tochter pflegt Vater schon seit 20 Jahren

Wenn Angehörige wüssten wie lange die Pflegezeit wird, hätten sie wohl keine Kraft dazu. Oft kommt die Pflegebedürftigkeit fast wie über Nacht, z.B. durch einen Schlaganfall. Einige Patienten erholen sich gut davon, andere bleiben ein Pflegefall.

So geht es auch „Doris“. Ihr wird bewusst, was das bedeutet: 20 Jahre Einschränkungen, Rücksichtnahme, Mehrbelastung als normal, nur kurze Urlaube von 4 Tagen. 20 Jahre Ängste und Hoffen.

Ehefrau pflegt demenzkranken Ehemann

„Anna“ (Ende 50) pflegt ihren Mann seit 6 Jahren. Er hat Parkinson, frühe Demenz, Schizophrenie, Epilepsie und ist schwer herzkrank, Pflegestufe 4. Zusätzlich arbeitet sie im Nachdienst und putzt von Do bis So Ferienhäuser, damit Geld in die Haushaltskasse kommt. Sie darf ihren Mann mit in die Ferienhäuser nehmen.

Nachts, wenn sie Dienst hat, von 21:30 – 7:30 Uhr ist er medikamentös gut eingestellt und schläft, auch gibt es eine Kameraüberwachung. Das bedeutet, Anna fährt sofort nach Hause, wenn etwas ist und macht Notfallversorgung. Ihr Leben dreht sich nur noch um ihn.

Leider bekommt sie dafür von außen nicht all zu viel Verständnis, sogar andere Personen, die schon mal gepflegt haben, finden, sie würde sich zu sehr anstellen. Wobei sie selber dann nicht alleine gepflegt haben. Niemand nimmt Anna mal ihren Mann ab.
Annas Mann kann noch laufen, das finden manche gut. Anna weiß, dass das bedeutet, dass er überall rankommt. Er kann noch sprechen, aber es ist kein für beide Seiten erfüllendes Gespräch. Das Schlimme ist, Anna ist durch die negativen Reaktionen ihres Umfeldes so verunsichert, dass sie manchmal wirklich denkt, sie wäre nur zu empfindlich und würde sich zu sehr anstellen.
Weitere Ehefrau pflegt demenzkranken Mann
Bettina (Mitte 50) pflegt ihren demenzkranken Mann (Mitte 60). Da er in diesem Alter noch körperlich recht agil ist, bedeutet die Demenz zuhause etwas ganz anderes als bei bettlägerigen. Sie kann einerseits mit ihrem Mann noch einiges unternehmen, andererseits gibt es permanent gefährliche und überfordernde Situationen:

Beide fahren noch gemeinsam in den Urlaub, einerseits genießen beide die Natur und schöne Erlebnisse andererseits überfordern die neuen Eindrücke den demenzkranken Ehemann.

Heimreise: Ehefrau fährt 800 km mit dem Auto nach Hause zurück. Es gab natürlich Pausen für Essen, Trinken etc.
Als es bei der Heimreise Umleitungen wegen Baustellen gab, wurde der demenzkranke Mann nervös und fing an Bettina während der Fahrt zu beschimpfen. Er hat Angst, dass sie nicht nach Hause fahren.
Er macht dann während der Fahrt den Gurt auf, zieht böse Grimassen und glaubt seiner Frau weiterhin nicht, dass sie nach Hause fahren. Schnallt den Gurt ab, so dass die Ehefrau auf der Autobahn auf den Standstreifen fahren muss! Dann schnallt sie ihn wieder an, obwohl er sich wehrt.
Sie warnt ihn, dass sie die Polizei ruft, er zieht Grimassen. Dann fängt er sogar an seine Frau zu schlagen und zu boxen, und das während der  Fahrt bei Geschwindigkeit 130 km/h.
Sie brüllt ihn an, sie ruft die Polizei. Dann wird er ein bisschen ruhiger. Als er den Wegweiser zur Heimatstadt sieht, beruhigt er sich. Er merkt, was er getan hat und entschuldigt sich bei seiner Frau, dass er das nicht wollte. Zuhause fällt er ihr um den Hals und fragt, ob sie noch bei ihm bleibe.
Normalerweise hat er ein ruhiges Gemüt… Die Ehefrau entscheidet sich, nicht mehr mit ihm im Auto in Urlaub zu fahren.

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